„Die Schimmelreiter“

(D 2008, 100 Min., Regie: Lars Jessen)

Wer glaubt, es handele sich bei Lars Jessens Komödie „Die Schimmelreiter“ um eine moderne Verfilmung von Theodor Storms berühmter Novelle „Der Schimmelreiter“ sieht sich getäuscht. Der Film, dessen Arbeitstitel recht treffend noch „Buddies“ lautete, spielt auch nicht in Nordfriesland sondern vor allem im benachbarten Dithmarschen und ist eine Liebeserklärung an diese Provinz, die so flach und baumlos ist, dass man montags schon sieht, wer am Sonntag zum Kaffee kommt, wie es so schön heißt. Dass dieses Roadmovie in der ungemütlichen Jahreszeit, an rauen, nassen, nebeligen Wintertagen, aufgenommen wurde, an denen sich dann manchmal das tiefe Januarlicht um so dramatischer durch das bleiern stürmische Küstengrau kämpft, erhöht den optischen Reiz der Location auf wunderbare Weise.

Im Straßenkreuzer auf „Schlemmertour“ durch Dithmarschen (Axel Prahl (l.) und Peter Jordan) (Fotos: Aries Image / Michael Tötter)

Klar, die Leute sind hier bisweilen „furztrocken“, dickschädelig, aber dennoch herzlich und irgendwie urig – eben norddeutsch. So auch die beiden Hauptfiguren, gehören sie doch zu jenem ausgefallenen, störrischen Personal, das mit seiner Stehauf-Mentalität so wunderbar in diese (die Dithmarscher mögen es mir verzeihen) öde Kohlkopp-Gegend passt. Fuchs (Peter Jordan) ist hier Gaststättenkontrolleur beim Ordnungsamt in Heide und möchte seinem ländlich Imbissbuden-Arbeitsalltag nach Hamburg entfliehen, wo er schon wohnt und eine türkische Freundin hat. Doch der Hamburger Dienststellenleiter will sich dazu bloß erweichen lassen, wenn Fuchs seinen Bruder für einige Zeit bei sich aufnimmt. Für Fuchs, einen fidelen Menschenfreund wie aus dem Bilderbuch, scheint das kein Problem, ahnt er doch nicht, was für einen groben und aggressiven Klotz er sich mit dem ewig schlechtgelaunten und rücksichtslosen Tillmann (Axel Prahl) ans Bein bindet. Tillmann, ein ehemals abgebrochener Student der Germanistik und Kunstgeschichte, hat sich danach als Weltenbummler versucht, ist schließlich in Italien bei seiner großen Liebe abgeblitzt und liegt nun als depressiver, „nichtsnutziger“ Alkoholiker seiner hanseatischen Familie mehr oder weniger auf der Tasche.

Altruistische „Schmalzlocke“: Peter Jordan als Fuchs

Mit dem Quartier bei Fuchs in Hamburg gibt sich Tillmann nicht lange zufrieden, sondern hängt sich bei „Schmalzlocke“, wie er seinen Gefährten abschätzig aber dessen Äußeres durchaus zutreffend charakterisierend nennt, ein. So gehen dann die beiden schrägen Typen, Altruist und Egoist, in Fuchs’ altem amerikanischen Straßenkreuzer auf Dienstfahrt durch das abwechslungsvolle kulinarische Reich zwischen Boulette und Asia-Imbiss und „arbeiten“ sich an einander ab. Lehrjahre, aus denen beide am Ende ein wenig geläutert hervorgehen sollen.

Der Film ist eine Fundgrube des leisen aber herzhaften norddeutschen Humors, gespickt mit Situationskomik und wunderbar melancholisch in die nass bis frostige Landschaft platziert. Dass Axel Prahl das Zeug zum heftigen Kotzbrocken hat, hat man schon immer geahnt, und Peter Jordan ist mit seinem komischen Talent die ideale Besetzung. Ganz typisch und köstlich, wenn er seine Berufsphilosophie zum Besten gibt: „Im Grunde ist doch ein Imbiss eine tragende Säule unser Kultur und unserer Demokratie. Und ich sorge dafür, dass diese Säule erhalten bleibt.“ (Helmut Schulzeck, Ausschnitt einer Besprechung auf www.infomedia-sh.org)

Do, 4.4.2019, 19 Uhr, KulturForum in der Stadtgalerie Kiel (Andreas-Gayk-Str. 31)

Eintritt: 5 € (erm. 3 €, Geflüchtete frei)