„Menschen unterwegs Kaliningrad“

(D 2018/19, 84 Min., Regie: Gudrun Wassermann)

Die innerrussische Migration ist Teil eines globalen Geschehens und im Westen weitgehend unbekannt. Nach dem Zerfall der UdSSR erreichte das Kaliningrader Gebiet von den 1990er Jahren an eine neue große Einwanderungswelle aus früheren Sowjetrepubliken, u. a. aus Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Tadschikistan, Usbekistan, dem Amur-Gebiet. Die Gründe hierfür waren Kriege, ethnische Konflikte, gravierende Umweltverschmutzungen, die Suche nach besseren Lebensbedingungen und die Nähe Europas.

16 Migrant*innen berichten in dem dritten Film des Kaliningrad-Projekts „Kaliningrad – die Bewohner, Einwanderer sind Auswanderer“ von ihren Erfahrungen. Viele stammen aus multiethnischen Familien, sprechen emotional von ihrem Leben in den Heimatländern, ihren verschiedenen Identitäten und reflektieren ihr Leben im Kaliningrader Gebiet. Einige Russlanddeutsche, früher Wolgadeutsche genannt, berichten von ihrer bewegten Familiengeschichte.

Nach 2000 waren die Einwanderer*innen vor allem Arbeitsmigrant*innen. Viele hatten keine Ausbildung, sprachen nicht russisch, sondern ihre Muttersprachen, hatten starke ethnische Prägungen und ihre eigenen Lieder. Es kamen auch Muslime, die unter sich blieben und sich als Gemeinschaft isolierten. Inzwischen spielte in Russland und damit auch in Kaliningrad die russisch-orthodoxe Kirche wieder eine große Rolle.

Der Film entstand zwischen 2016 und 2018 und ist der 3. Film des Kaliningrad-Projekts „Kaliningrad – die Bewohner, Einwanderer sind Auswanderer“:

  1. Film: „Kaliningrad – die Bewohner“, D 2011, 70 Min.
  2. Film: „späte Heimat – das Bauerbe in Tschernjachowsk“, D 2014, 81 Min.
  3. Film: „Menschen unterwegs Kaliningrad“, D 2018/19, 84 Min.

Die Kaliningrader Region ist Teil des früheren Ostpreußen. Die Autorin hat die ersten zehn Jahre ihres Lebens in Insterburg verbracht, die Stadt heißt heute Tschernjachowsk. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die letzten Deutschen ausgesiedelt und das Land von der Sowjetunion vollkommen neu besiedelt. Die heutigen Bewohner der Oblast Kaliningrad haben alle einen Migrationshintergrund. Während Migranten in anderen Ländern eine Mehrheitsgesellschaft vorfinden, kamen sie in ein entleertes Land.

Die Autorin (im Foto links, Vergrößerung durch Klick auf das Foto) mit ihren Geschwistern 1995 vor dem Kant-Denkmal in Kaliningrad. Erst zu Hause fielen ihr die Jungen am rechten Bildrand auf, und es entstand das Thema des Projektes: „Wie geht es den Bewohnern?“

2010 wurde in Gesprächen des ersten Filmes noch betont, dass alle Kaliningrader Russen sind, russisch sprechen und die gleichen kulturellen Prägungen haben. 2016 waren die Unterschiede in der Bevölkerung sichtbar geworden. Es gab keine verbindende Tradition mehr, kein Identitätsbewusstsein, das sich auf den gemeinsamen Migrationshintergrund aller bezog. Die Verschiedenheit der Bevölkerung und die Nähe Europas bilden neue Verhaltensmodelle.

In den drei Filmen wird auf typische Landschaftsaufnahmen verzichtet, auf die Abendsonne am Meer, die Alleen, die schwermütige Musik. Die Aufnahmen entstanden in der blätterlosen Jahreszeit, sie zeigen Fahrten durch brachliegendes Land mit wilder Vegetation, die Flüsse Pregel, Deime und Angerapp, der Wind ist zu hören. Die Porträts der Protagonisten in den Filmen „Kaliningrad – die Bewohner“ und „späte Heimat – das Bauerbe in Tschernjachowsk“ werden begleitet von Stadtaufnahmen in Kaliningrad oder Tschernjachowsk. Im Film „Menschen unterwegs Kaliningrad“ gibt es keine Zwischenbilder, die Porträtaufnahmen sind mehrfach geschnitten und thematisch verbunden. Der Film beginnt mit einem Prolog zu den historischen Einwanderungen in das Land und endet mit einer Fahrt durch die entstandene Wildnis.

Website zum Kaliningrad-Projekt von Gudrun Wassermann

Trailer zum Film:

Mi, 19. Oktober 2022, 19 Uhr, KulturForum in der Stadtgalerie Kiel
(Andreas-Gayk-Str. 31)

Eintritt: 5 € (erm. 3 €, Geflüchtete frei)